3.8. Werklieferung, Werkleistung
(1)
1
Eine Werklieferung liegt vor, wenn der Werkhersteller für das Werk selbstbeschaffte Stoffe verwendet,
die nicht nur Zutaten oder sonstige Nebensachen sind.
2
Besteht das Werk aus mehreren Hauptstoffen, bewirkt
der Werkunternehmer bereits dann eine Werklieferung, wenn er nur einen Hauptstoff oder einen Teil eines
Hauptstoffs selbst beschafft hat, während alle übrigen Stoffe vom Besteller beigestellt werden.
3
Verwendet der
Werkunternehmer bei seiner Leistung keinerlei selbstbeschaffte Stoffe oder nur Stoffe, die als Zutaten oder
sonstige Nebensachen anzusehen sind, handelt es sich um eine Werkleistung.
4
Unter Zutaten und sonstigen
Nebensachen im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG sind Lieferungen zu verstehen, die bei einer
Gesamtbetrachtung aus der Sicht des Durchschnittsbetrachters nicht das Wesen des Umsatzes bestimmen (vgl.
BFH-Urteil vom 9. 6. 2005, V R 50/02, BStBl 2006 II S. 98).
5
Für die Frage, ob es sich um Zutaten oder sonstige
Nebensachen handelt, kommt es daher nicht auf das Verhältnis des Werts der Arbeit oder des Arbeitserfolgs zum
Wert der vom Unternehmer beschafften Stoffe an, sondern darauf, ob diese Stoffe ihrer Art nach sowie nach dem
Willen der Beteiligten als Hauptstoffe oder als Nebenstoffe bzw. Zutaten des herzustellenden Werks anzusehen
sind (vgl. BFH-Urteil vom 28. 5. 1953, V 22/53 U, BStBl III S. 217).
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Die Unentbehrlichkeit eines Gegenstands
allein macht diesen noch nicht zu einem Hauptstoff.
7
Kleinere technische Hilfsmittel, z.B. Nägel, Schrauben,
Splinte usw., sind in aller Regel Nebensachen.
8
Beim Austausch eines unbrauchbar gewordenen Teilstücks, dem
eine gewisse selbständige Bedeutung zukommt, z.B. Kurbelwelle eines Kraftfahrzeugs, kann nicht mehr von
einer Nebensache gesprochen werden (vgl. BFH-Urteil vom 25. 3. 1965, V 253/63 U, BStBl III S. 338).
9
Haupt-
oder Nebenstoffe sind Werkstoffe, die gegenständlich im fertigen Werk enthalten sein müssen.
10
Elektrizität, die
bei der Herstellung des Werks verwendet wird, ist kein Werkstoff (vgl. BFH-Urteil vom 8. 7. 1971, V R 38/68,
BStBl 1972 II S. 44).
(2)
1
Bei Werklieferungen scheiden Materialbeistellungen des Bestellers aus dem Leistungsaustausch aus.
2
Das
Material, das der Besteller dem Auftragnehmer zur Bewirkung der Werklieferung beistellt, geht nicht in die
Verfügungsmacht des Werkherstellers über (vgl. BFH-Urteil vom 17. 1. 1957, V 157/55 U, BStBl III S. 92).
3
Die beigestellte Sache kann ein Hauptstoff sein, die Beistellung kann sich aber auch auf Nebenstoffe oder
sonstige Beistellungen, z.B. Arbeitskräfte, Maschinen, Hilfsstoffe wie Elektrizität, Kohle, Baustrom und
Bauwasser oder ähnliche Betriebsmittel, beziehen (vgl. BFH-Urteil vom 12. 3. 1959, V 205/56 S, BStBl III
S. 227), nicht dagegen auf die Bauwesenversicherung.
4
Gibt der Auftraggeber zur Herstellung des Werks den
gesamten Hauptstoff hin, liegt eine Materialgestellung vor (vgl. BFH-Urteil vom 10. 9. 1959, V 32/57 U,
BStBl III S. 435).
(3)
1
Es gehört grundsätzlich zu den Voraussetzungen für das Vorliegen einer Materialbeistellung, dass das
beigestellte Material im Rahmen einer Werklieferung für den Auftraggeber be- oder verarbeitet wird.
2
Der
Werkunternehmer muss sich verpflichtet haben, die ihm überlassenen Stoffe ausschließlich zur Herstellung des
bestellten Werks zu verwenden (vgl. BFH-Urteil vom 17. 1. 1957, V 157/55 U, BStBl III S. 92).
3
Auf das
Erfordernis der Stoffidentität kann verzichtet werden, wenn die anderen Voraussetzungen für die
Materialbeistellung zusammen gegeben sind, der Auftragnehmer den vom Auftraggeber zur Verfügung
gestellten Stoff gegen gleichartiges und gleichwertiges Material austauscht und der Austausch wirtschaftlich
geboten ist (vgl. BFH-Urteile vom 10. 2. 1966, V 105/63,
BStBl III S. 257, und vom 3. 12. 1970, V R 122/67,
BStBl 1971 II S. 355).
4
Eine Materialbeistellung ist jedoch zu verneinen, wenn der beigestellte Stoff
ausgetauscht wird und der mit der Herstellung des Gegenstands beauftragte Unternehmer den Auftrag weitergibt
(BFH-Urteil vom 21. 9. 1970, V R 76/67, BStBl 1971 II S. 77).
(4)
1
Eine Materialbeistellung liegt nicht vor, wenn der Werkunternehmer an der Beschaffung der Werkstoffe
als Kommissionär (§ 3 Abs. 3 UStG) mitgewirkt hat.
2
In diesem Fall umfasst die Lieferung des
Werkunternehmers auch die beschafften Stoffe.
3
Eine Materialbeistellung ist aber anzunehmen, wenn der
Werkunternehmer nur als Agent oder Berater an der Stoffbeschaffung beteiligt ist und dementsprechend
zwischen dem Lieferer und dem Besteller der Werkstoffe unmittelbare Rechtsbeziehungen begründet werden.
4
Die Annahme einer Materialbeistellung hat zur Folge, dass der Umsatz des Werkunternehmers sich nicht auf
die vom Besteller eingekauften Stoffe erstreckt.
5
Wenn dagegen unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen dem
Lieferer der Werkstoffe und dem Werkunternehmer und eine Werklieferung dieses Unternehmers an den
Besteller vorliegen, ist davon auszugehen, dass eine Lieferung der Stoffe vom Lieferer an den Werkunternehmer
und eine Werklieferung dieses Unternehmers an den Besteller vorliegt.
6
In einem solchen Fall schließt die
Werklieferung den vom Werkunternehmer beschafften Stoff ein.
(5) Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Beistellung von Personal zu sonstigen Leistungen vgl.
Abschnitt 1.1 Abs. 6 und 7.
(6)
1
Reparaturen beweglicher körperlicher Gegenstände können in Form einer Werklieferung oder
Werkleistung erbracht werden.
2
Nach ständiger EuGH- und BFH-Rechtsprechung ist für die Abgrenzung
zwischen Lieferung und sonstiger Leistung das Wesen des Umsatzes aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu
bestimmen.
3
Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist zu entscheiden, ob die charakteristischen Merkmale einer
Lieferung oder einer sonstigen Leistung überwiegen (vgl. EuGH-Urteile vom 2. 5. 1996, C-231/94, Faaborg-
Gelting Linien, BStBl 1998 II S. 282, und vom 17. 5. 2001, C-322/99 und 323/99, Fischer und Brandenstein,